Das nachfolgende Interview wurde von Galen am 11.11.2008 mit Willy Michl geführt  


 

1. Willy, wie würdest Du selbst Deinen spirituellen Weg beschreiben?
Ich wandere auf dem Roten Weg, von Liebe Respekt und Ehre. Als ein Krieger im Heiligen Kreis bemühe ich mich, der Gewalt zu entsagen, und alle Probleme mit meinem Herz und der Kraft meines Verstandes zu lösen. Ich habe eine gute Frau, und viele Menschen hören mir zu, wenn ich singe, was mir die Geister ins Herz gelegt haben. Ich versuche Gutes zu tun, jeden Tag. Das ist indianisch.


2. Was bedeutet für Dich Religion?
Religion ist das Suchen nach Wahrheit und Erkenntnis, welche aus dem Großen Geheimnis kommt. Alle Menschen haben die Sehnsucht danach, zu verstehen, was Wahrheit ist. Diese erkennen wir in den Sternen, im Wasser und im Feuer, in allen Wesen, den Pflanzen und den Steinen. Aber auch Wind, Regen und Schnee, zeigen uns Wahrheit. Deshalb ist es gut, den Elementen zuzuhören und zuzuschauen, denn diese haben eine eigene Sprache. Religion ist auch, diese Sprache durch Beten zu erlernen.


3. Wenn Deine Religion nicht die indianische wäre, zu welchem Glaubenskonzept fühlst Du Dich sonst noch hingezogen?
Seine Religion wechselt man nicht wie das Hemd, und man geht auch nicht zu einer Religion, wie man zum Beispiel Konzerte besucht. Ich respektiere jede Religion und ich ehre alle gläubigen Menschen. In Folge der Zeremonien und Rituale, an denen ich teilnahm, habe ich gelernt nicht zu beurteilen, sondern mich um das Verstehen zu bemühen. Ich erkannte im Lauf der Sommer und Winter meines Lebens, dass Alles mit Allem verwandt ist. Wie sagen die Lakotha: "AHO mitaque Oyasin" - wir sind mit allem verwandt.


4. Was verbindest Du mit "Wakan Tanka", dem großen Geist oder Geheimnis?
Wakan Tanka ist das Wort der Lakotha; es bedeutet "Großes Geheimnis" - es ist der Inbegriff alles Göttlichem, das aus sich selbst heraus immerwährend, ohne Anfang und Ende existiert. Niemand will und kann Großes Geheimnis (Wakan Tanka) erklären. Es lebt in Allem, das wir kennen und nicht kennen. Wir sind ein Teil Wakan Tankas. Jedes Volk hat dafür andere Namen, die Azteken zum Beispiel nennen es OMETEOTL, die Menschen in unserem Kulturkreis sagen Gott. Es ist von Bedeutung zu begreifen und einzusehen, dass das Geheimnis Gottes immer und ewig, und auch niemals durch irgendetwas erfassbar sein wird. Die Namen Wakan Tanka oder Ometeotl geben dies in ihrer klingenden Schönheit wieder. Gottes Namen sind heilig, sie klingen in unserem
Herzen weiter.


5. Glaubst Du an Reinkarnation/Wiedergeburt?
Alles ist ein Kreis, so wie der Reigen aller Sterne und der Lauf des Wassers, oder die Jahreszeiten. Wir wissen, dass die Erdmutter eine Kugel ist. Sie umkreist Vater Sonne, so wie die Geschwister der Erde dies immer tun und viele Sterne im Himmel. Das Weltall selbst ist auch ein Kreis, wie das Leben des Menschen und aller Wesen. Aus der Erdmutter sind wir gekommen und dorthin kehren wir zurück. Dies ist der Kreislauf des Lebens. So kommen und gehen wir, um auf dem ewigen Kreis des Lebens wiederzukehren. Das ist es, was ich weiß. 


6. Wenn Du wiedergeboren wirst - was möchtest Du sein?
Natürlich ein Adler, oder ein Wal, oder ein Moskito, oder ein Baum - es gibt so vieles, das ich gerne wäre. Es ist kindlich, sich so etwas vorzustellen und auch sehr schön. Allerdings müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es nicht so geschehen wird. Unsere Seele kehrt zu den Sternen zurück, von denen sie einst kam; niemand weiß, wann sie mit dem Regenbogenreiter wiederkehrt. Wir sagen, der Adler trägt die Seele zu den Sternen, es ist der Adler, der das Leben zurückbringt.

 


7. Was bedeutet für Dich Natur und wie empfindest Du ihre Zerstörung durch den Menschen?
Wir sind ein Teil der Natur; was wir der Natur antun, tun wir uns selbst an. Ich hoffe, dass die Menschen dies bald begreifen, bevor es zu spät ist. Gelingt dies ihnen nicht, so werden sie mit der Natur, welche sie zerstören, untergehen. Und für immer in Vergessenheit geraten. Jedoch die Natur kann letztlich nicht zerstört werden; diejenigen, welche dies versuchen zu tun, werden untergehen und mit ihnen alle anderen Wesen - für immer. Ich habe geträumt, dass die Erdmutter aus dem Gesang des Sonnenvaters gekommen ist, wie auch alle ihre Geschwister, die die Sonne umkreisen. Wenn das Feuer des Sonnenvaters ausbrennt, wird dieser alles, was aus ihm kam, wieder zu sich nehmen. Dann wird etwas Anderes sein als das, was wir kennen, und es wird nichts anderes mehr geben als Großes Geheimnis. Deshalb ehren wir Sonne und Großes Geheimnis, von welchen alles erschaffen ist. Die Natur der Erdmutter ist in und aus den Träumen von Wasser und Feuer geboren. Wir wissen: Alles ist ein Kreis.


8. Welche direkten Erfahrungen hast Du mit der "Medicine" der Native Americans, also der Indianer Nordamerikas, gemacht?
Ich gehe bei Vollmond zur Sweatlodge, dem Temascal des Raramurri Volkes. Dieses Volk stammt aus Mexiko, es ist sehr alt. Friedenshäuptling und Medicine Man der Raramurri ist Chief Fred Drum Contreras. Wir sind Brüder und wir sagen uns, was wir wissen. Von Fred Drum Contreras habe ich viel gelernt. Fred hat mich in das innerste Wissen indianischer Kultur gebracht. So erkannte ich beim Feuer wer ich bin. Als ich zum ersten Mal an das Heilige Feuer kam, wusste ich, dass meine Suche nach dem "Gral" sich erfüllt hatte. Vom Feuer im Heiligen Kreis, in welchem die Steine zum Glühen kommen, geht Heilung aus. Wir wissen, dass durch die glühenden Steine, auf welche wir dann das Wasser tun, Heilung zu den Menschen kommt. Deshalb dienen wir diesem Feuer, als Krieger im Heiligen Kreis. Wir sagen immer "Für alle unsere Verwandten" und "Wasser ist das Leben"!


9. Wie lässt sich Deine Spiritualität damit vereinbaren, dass Du immer wieder auf Tour bist und sehr viele Menschen um Dich hast? Was tut der Isarindianer, um abzuschalten?
Ich schalte niemals ab, denn ich bin ein freier Mann. Ich versuche immer zu tun, was meine innere Stimme mir aufträgt. Auch halte ich dagegen, wenn man versucht, mich zu beeinflussen etwas anderes zu machen als ich will. Spiritualität wird mit dem Wort "Geistmäßigkeit" übersetzt. Ich führe ein geistmäßiges Leben - immer. Wenn ich unter vielen Menschen bin, kann ich das weitergeben. Dies erfreut mein Herz! Manchmal möchte ich auch für mich sein, dann gehe ich mit Cora, meiner Frau, in unseren Wigwam und zünde ein Feuer an. Dann schauen wir in das Feuer und fragen, was wir tun können. Manchmal sind wir von unseren Reisen sehr müde. Dann legen wir uns hin und ruhen aus. Wir lieben uns und bald geht es wieder weiter, von Ort zu Ort, von Land zu Land, auf die Bühnen, bis wir wieder zurückkehren, auf der Straße des Rock'n'Roll. Denn jeder kehrt immer wieder dahin zurück, wo er angefangen hat zu laufen.

 

  


10. Warum nimmst Du Dein Messer mit auf die Bühne? Hat das eine spezielle Bedeutung?
Es wäre unbequem es ständig an- und abzulegen. Es ist mein Werkzeug, mehr nicht.


11. Hast Du ein Idol / ein Vorbild?
Ja sogar viele, jedoch ich habe meine Vorbilder nie imitiert. Mein Medicinename ist "Sound of Thunder". Meine Mutter nannte mich "Herz auf Zunge", meine Frau nennt mich "Schlagendes Herz" und die Felsen des Schneeferner, die mich zu einem Krieger meiner Lieder werden ließen, nannten mich "Windhauch". Ich bin derjenige, den die Bayern Willy Michl nennen.


 

12. Welche Orte sind für Dich magisch, haben also einen besonders starken "Spirit"?
Alle Orte sind magisch und haben starken Spirit, es kommt darauf an, deren Geist wahrzunehmen und zu erkennen. Orte von besonderer Schönheit sind auffällig, wie auch Orte die weniger schön oder hässlich sind. Aber alle Orte sind Momente des Lebens auf unserem Weg, den wir gehen. Lassen wir sie als blühende Gärten oder als Ruinen zurück? Das ist die Frage, die wir durch unser Handeln zu beantworten haben. Der Geist (Spirit) hat seine Wohnung in der Tiefe der Wesentlichkeit. An der Oberfläche bleibt das vordergründige Bild des flüchtigen Auges. Den Geist fühlen wir mit dem Herzen.


13. "Mein Herz sagt mir nicht, was ich unterlassen, sondern was ich tun soll. Deshalb nennt man mich den Isar-Indianer." Tut dir das weh, wenn du von manchen Leuten als "Pseudoindianer" bezeichnet wirst?
Ja, es hat mich schon getroffen; allerdings ist mir auch bewusst, dass diese Behauptung meistens von Leuten aufgestellt wird, die sich nicht zu erkennen geben, oder sich hinter irgendwelchen Medien, im Internet, oder in der Menge verstecken. Meistens sind diese Angriffe sehr einfältig und ohne wirkliche Brisanz. Schade, denn ich würde solchen Neidern gerne helfen, die Welt mit besseren Augen zu sehn.


14. Wie empfindest Du die Wahl von Barack Obama als ersten afroamerikanischen Präsidenten?
Barak Obama scheint ein Hoffnungslicht am dunklen Horizont des amerikanischen Traumes zu sein. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Obama ist nur ein einziger Mensch; mit seiner Familie und seinem Clan, seiner Regierung und den amerikanischen Machthabern wird er versuchen, das Beste zu geben. Jedoch niemand kennt die Zukunft. Wir werden beten, dass dieser Mann gute Entscheidungen trifft, soweit ihm dies möglich ist. Denn jeder weiß, dass das Schicksal der Menschen von deren "aller" Tun und Willen abhängt. Das ist es, was ein Indianer denkt.


15. Hast Du eine Vision, etwas dass Du erreichen willst und Deinen Fans auch durch Deine Lieder mitteilen möchtest?
Ich will gute Musik machen und den Fans einen schönen Abend, wenn ich auftrete. Ich will mit meiner Frau ein glückliches Leben führen, für meine Familie, meine Freunde und meine Zuhörer, für alle Menschen. Ich will den Menschen sagen: Wir dürfen uns nicht gegenseitig verletzen, wir müssen uns lieben, respektieren und ehren! Das ist es, was ich erreichen will. Ich wünsche mir aus tiefstem Herzen mit einem Lächeln auf die andere Seite der Zeit zu gehen, wenn ich einst auf dem Wind mit dem Adler zu den Sternen fliege. Wahsde!

 

  


Willy, recht herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Philámayaye!